Barmer Theologische Erklärung

Die Reisensburger Thesen von 1984

Ein wissenschaftliches Symposium, das die Evangelische Arbeitsgemeinschaft für kirchliche Zeitgeschichte und die Historische Kommission des Deutschen Natio-nalkomitees des Lutherischen Weltbundes vom 2.-6. Januar 1984 auf der Reisensburg bei Ulm veranstalteten, verdeutlichte durch verschiedene Forschungsbeiträge die differenzierte Position des Luthertums zur Barmer Theologischen Erklärung. Im Anschluss an das Symposium legten die Vorsitzenden der beiden Kommissionen zehn Thesen vor, mit denen sie - von einer Klärung des historischen Tatbestands ausgehend - die lutherische Bemühung um „Barmen" voranzutreiben suchten.

GEORG KRETSCHMAR - WOLF-DIETER HAUSCHILD:
DIE LUTHERISCHEN KIRCHEN UND DIE
BEKENNTNISSYNODE VON BARMEN 1934-1984

vom 6. Januar 1984

1. Die Bekenntnissynode in Barmen vorn 29. - 31.5.1934 vereinigte Vertreter lutherischer, reformierter und unierter Kirchen, Synoden, Gruppen. Sie ist zu einem Ereignis auch für die lutherische Kirche geworden über den sogenannten Kirchenkampf und über Deutschland hinaus. Die „Theologische Erklärung" von Barmen wurde als Konsenstext, vor allem von Karl Barth und Hans Asmussen erarbeitet; von allen an dem längeren Prozess der Vorbereitung Beteiligten ist sie unter dem Aspekt ihrer Vereinbarkeit mit dem lutherischen Bekenntnis gesehen und in diesem Sinne von der Synode angenommen worden. Sie ist also von der Entstehung wie vom Inhalt her auch ein lutherisches Dokument. Die Barmer Theologische Erklärung gehört zum gemeinsamen verpflichtenden Erbe aller, die sich auf diesen Kirchenkampf berufen.

2. In der Stellung gegenüber Barmen waren lutherische Theologie und Kirche in Deutschland von Anfang an gespalten. Die spätere Reserve gegenüber einer als Missbrauch gewerteten Verwendung dieses Synodalabschiedes ist dabei von dem ursprünglichen Streit zu unterscheiden, der sich daran entzündete, dass gemeinsames Bekennen von kirchlichen Vertretern verschiedener Konfessionen als Unionismus zu bezeichnen sei; einzelne wie Werner Elert sind sogar soweit gegangen, die Barmer Thesen als Irrlehre zu qualifizieren. War dies auch nicht die Stellungnahme ,der lutherischen Theologie', so ist doch aufzuarbeiten, wie es dazu kommen konnte, dass bedeutende Lehrer der lutherischen Kirche sich gerade unter Berufung auf das Bekenntnis der Reformation oder reformatorische Grundeinsichten gegen dies Bekennen in Barmen wehren konnten.

Die verpflichtende Gültigkeit der Barmer Theologischen Erklärung ist als Folge der kirchenpolitischen Konflikte und auf Grund theologischer Unklarheiten in den Verfassungen der lutherischen Landeskirchen nach 1945 und der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands nicht mit genügender Deutlichkeit ausgesprochen worden; dies weist auch auf noch nicht eingelöste Aufgaben.

3. Man spricht heute auch von Defiziten Barmens. Was einzelne wie Dietrich Bonhoeffer schon 1933 sahen, ist heute zur theologischen, ja kirchlichen Überzeugung nicht nur innerhalb der reformatorischen Christenheit geworden auf Grund erneuter, vertiefter Einsicht in die Heilige Schrift: dass es eine bleibende Verbindung der Kirche zum jüdischen Volk gibt und dass Kirche immer auch für die Menschenrechte anderer einzutreten hat. Dann muss es im Rückblick als Versagen erscheinen, dass die Barmer Synode zu diesen Themen geschwiegen hat. Das Stuttgarter Schuldbekenntnis von 1945 ist gerade von Männern der Bekennenden Kirche gesprochen worden, hinsichtlich des Verhältnisses von Christen und Juden wäre auf das Wort von Weissensee 1950 zu verweisen. Aber diese Einsicht, die sich in der Evangelischen Kirche in Deutschland in einem längeren Prozess Raum geschaffen hat, kann doch nicht heute als Argument gelten, die Barmer Theologische Erklärung abzuwerten. Dieser Lehrtext ist nicht nach Versäumnissen der Synode zu bewerten, sondern an seinen inhaltlichen Aussagen zu messen, als Bekenntnis samt den Verwerfungen.

4. Die Barmer Theologische Erklärung vermeidet es zwar, sich ausdrücklich als ‚Bekenntnis‘ zu bezeichnen, aber sie gehört unbezweifelbar in den Aufbruch neuer Bekenntnisbildungen seit 1932 in Deutschland hinein; sie schließt ihn ab und krönt ihn. Vor allem weist dieser Lehrtext alle klassischen Merkmale eines Bekenntnisses auf: er ist neue Konkretion und Anwendung des alten Christusbekenntnisses auf eine besondere Situation mit existentiellem Anspruch; in ihm gehören Bejahungen und Verwerfungen zusammen, wie es gegenüber Jesus Christus letztlich nur Bekennen oder Verleugnen geben kann; es bekräftigt im Rückbezug auf die heilige Schrift fundamentale Glaubensüberzeugungen gegenüber einer aktuellen Irrlehre. Im Bekenntnis geht es nicht nur um eine partikulare, sondern um die eine, heilige, allgemeine und apostolische Kirche im Sinne des Nizänums.

Damit wird zugleich die konfessionalistische Verengung des Bekenntnisbegriffes, wie sie sich seit dem 19. Jahrhundert in lutherischen Positionen artikulierte, aufgebrochen: die Meinung, es sei für ein Bekenntnis konstitutiv, zu allen fundamentalen Lehrpunkten Aussagen zu machen, und die Rede vom kirchengründenden Bekenntnis, in der das Bekennen gerade auf eine Konfession als Partikularkirche bezogen ist. Der Streit um Barmen unter Lutheranern war weithin auch ein Konflikt zwischen verschiedenen Bekenntnisbegriffen. Es steht einer Kirche wohl an, den eigenen Sprachgebrauch und die damit verbundenen Konzeptionen vom Neuen Testament und von den Erfahrungen der Väter und Brüder her korrigieren und weiterführen zu lassen.

Gerade wenn Bekenntnisse gemäß lutherischer Tradition ‚Symbola' sind, in denen der ,einhellige, allgemeine christliche Glaube' aufgrund der Heiligen Schrift gegen Irrtümer der Zeit festgehalten wird (Konkordienformel, Vom Summarischen Begriff 1-3; BSLK 768 f), ist es nur angemessen, die Barmer Theologische Erklärung solchen Bekenntnissen zuzuordnen.

5. Wenn die Barmer Theologische Erklärung im Sinne der Präambel zur Konkordienformel als neue Bezeugung des Evangeliums und als Ruf zur Sammlung um Christus beschrieben wird, ist sie gegenüber den klassischen Lehrbekenntnissen der Kirche seit der christlichen Frühzeit nicht zu isolieren. Das entspricht ihrem eigenen Selbstverständnis, hat sie doch in der Präambel die Treue zu den überlieferten reformatorischen Bekenntnissen bekräftigt und eine Wendung des Nizänums zitiert. Dann ist die Theologische Erklärung aber auch von der Heiligen Schrift her im Kontext des vorgegebenen kirchlichen Bekenntnisses zu verstehen und auszulegen - das gilt besonders für die Thesen 1, 2 und 5 -, wie ja auch das Augsburger Bekenntnis sich als Auslegung und Anwendung des gemeinchristlichen Glaubens nach den altkirchlichen Symbolen verstanden hat. Das entspricht gleichfalls nur dem Anspruch und Selbstverständnis dieses Lehrtextes, der gewiss einen - wie er meinte - weit zurückreichenden Irrweg korrigieren wollte, aber dies deswegen tat, um der Irrlehre die alten und gemeinsamen ,evangelischen Wahrheiten' gegenüberzustellen.

6. Die produktive Aufnahme des alten Bekenntnisses in der Barmer Theologischen Erklärung sollte auch einen Hinweis darauf geben, was für uns angemessener Umgang mit diesem Lehrtext heißt. Er ist zunächst das Zeugnis einer bestimmten historischen Situation wie das Augsburgische Bekenntnis oder das Nizänum; da historisch-kritische Auslegung ein Aspekt unseres Umgangs auch mit den biblischen Texten ist, werden wir die Konflikte, die sich im Text von Barmen niedergeschlagen haben, gleichfalls in diesem Sinne zu verstehen und darzustellen haben. Dass die Barmer Erklärung für uns heute der Vergangenheit angehört, also ihre Bejahung zunächst ebensowenig aktuelles Bekenntnis sein wird wie das bloße Festhalten der reformatorischen Bekenntnisse, schließt nicht aus, dass ihr innerhalb der Tradition eine besondere Bedeutung zukommt. Es ist zu prüfen, wo und inwieweit sie der Klärung dient, über den Wortlaut der altkirchlichen Symbole oder der reformatorischen Bekenntnisse hinaus. Das gilt etwa für die Aussagen über den Zusammenhang zwischen dem, was die Kirche vor Gott ist, und ihren sichtbaren Ordnungen (so besonders These 3 und 4) oder für die Begründung der Eigenständigkeit und Freiheit der Kirche in der Gesellschaft (so besonders These 5 und 6). Schließlich ruht die Gültigkeit der Barmer Theologischen Erklärung nicht in ihren Formulierungen als solchen, sondern darin, dass diese rechte Bezeugung Christi sind. Was wir für den angemessenen Umgang mit dem reformatorischen Bekenntnis gerade im Jubiläumsjahr der Confessio Augustana 1980 betont haben, gilt auch für die Barmer Erklärung: Gültigkeit heißt nicht Abgeschlossenheit. Es gibt Fragen, die weiterer Erklärung bedürfen. Das Bekenntnis der Väter bindet auch darin, dass es uns zum Bekennen heute aufruft und anleitet.

7. Die Aufforderung der Barmer Synode an die Lutheraner - wie die Reformierten -, eine ihrem Bekenntnis entsprechende Auslegung auszuarbeiten, kann nach 50 Jahren nicht so aufgenommen werden, dass dem Text von 1934 ein weiterer Text als verbindliche Exegese beigefügt wird. Dass die Aussagen der Barmer Theologischen Erklärung nicht das lutherische Bekenntnis bestreiten, ist längst festgestellt, ebenso, dass es auch Spannung gibt (so besonders in These 2). Die Aufgabe der lutherischen Auslegung heute kann nur die Integration der Lehrerklärung der Barmer Bekenntnissynode in die reguläre Arbeit lutherischer Theologie sein. Dass es auch Streit darüber gibt, wozu die Barmer Theologische Erklärung in einer bestimmten Konfliktlage anleitet, ist nicht Folge einer besonderen Unschärfe des Textes, sondern liegt an der Ambivalenz der Situationen. Die Wahrheit der Heiligen Schrift und damit auch des Bekenntnisses ist immer im Streit zu bewahren - warum sollte es mit irgendeiner kirchlichen Lehraussage anders stehen?

8. Damit soll auch falscher Umgang mit der Barmer Theologischen Erklärung abgewehrt sein:

Die Barmer Synode ist verpflichtendes Ereignis nur in Verbindung mit ihrer Lehraussage. Eine Berufung auf Barmen nur als Modell für Widerstand verkennt, dass es der Synode um ein Bekenntnis ging, dessen Mitte die Bezeugung Jesu Christi ist als „das eine Wort Gottes, das wir zu hören, dem wir im Leben und Sterben zu vertrauen und zu gehorchen haben" (These 1).

Auch wenn in der polemischen Zuspitzung der dreißiger Jahre derartiges gele-gentlich gesagt worden ist, kann diese Erklärung nicht im Sinne des Theologumenons des 19. Jahrhunderts als ,kirchengründendes Bekenntnis' verstanden werden. Barmen hat Bedeutung für Kirchengemeinschaft, aber mit der Synode beginnt nicht eine neue überkonfessionelle Kirche. Man überwindet nicht Konfessionalismus, wenn man ein zur Begründung nebeneinander stehender Konfessionen entwickeltes Konzept nun auf das Barmer Bekenntnis anwendet. Das liefe - ungewollt - auf Relativierung hinaus, nicht auf Begründung der Freiheit der Kirche in ihrem Auftrag, „an Christi statt und also im Dienst seines eigenen Wortes und Werkes durch Predigt und Sakrament die Botschaft von der freien Gnade Gottes auszurichten an alles Volk" (These 6).

Dieser Anspruch, gültiges Christusbekenntnis zu sein, ist andererseits nicht mit der Begründung zu bestreiten, dass in der Barmer Theologischen Erklärung nicht alle für den christlichen Glauben fundamentalen oder in der Vergangenheit als kirchentrennend gewerteten Lehrpunkte zur Sprache kommen. Auch in der älteren Geschichte der Kirche hat nicht jedes Bekenntnis den Charakter einer umfassenden Katechese gehabt. Im Bekenntnis, in dem die „Kirche der begnadigten Sünder" bezeugt, „dass sie allein sein" (Christi) „Eigentum ist, allein von seinem Trost und von seiner Weisung in Erwartung seiner Erscheinung lebt und leben möchte" (so These 3), unterstellt sich diese Kirche Christus neu und tritt damit auf seine Seite. Mehr kann im Bekenntnis nicht geschehen.

9. Damit wird dies Bekenntnis aber offenbar Ausdruck von Kirchengemeinschaft. Die Synode spricht die zwischen gemeinsamem Bekennen und faktisch noch bestehender Kirchentrennung vorhandene Spannung ausdrücklich an. Allerdings besteht solche Spannung zwischen geschenkter Gemeinschaft und nicht versöhnter Konfessionalität auch sonst: Die Heilige Taufe hat uns in die Christusgemeinschaft aufgenommen und damit in die eine Kirche gestellt. Trotzdem gibt es noch Kirchentrennungen. Wir haben nicht das Recht, die Gültigkeit der Taufe einzuschränken oder zu bestreiten, dass im Bekenntnis von Barmen gemeinsame kirchliche Lehre vollzogen worden ist. Daraus konnte aber nur der Auftrag erwachsen, die noch bestehenden, volle Kirchengemeinschaft verhindernden Lehrunterschiede aufzuarbeiten. Das ist auf einem langen Weg geschehen, an dessen Ende die „Leuenberger Konkordie reformatorischer Kirchen in Europa" steht. Kirchengemeinschaft auf dem Wege, insofern in Stufen, ist kein Sonderproblem des Verhältnisses zwischen Lutheranern, Reformierten und Unierten, sondern eine Beschreibung der allgemeinen ökumenischen Situation, nur dass der Weg zur vollen Gemeinschaft zwischen diesen reformatorischen Kirchen schon zu einem Ziel gekommen ist.

In diesem Weg liegt aber umgekehrt das Recht der Repräsentanten lutherischer Kirchen, die davor gewarnt hatten, vorschnell allein aufgrund der Barmer Theologischen Erklärung die Überwindung aller bisher kirchentrennenden Unterschiede zu proklamieren. Andererseits darf es lutherische Theologie auch unierten Kirchen, die jene Unterschiede jedenfalls in ihrem kirchentrennenden Charakter durch ihre bloße eigene Existenz für längst erledigt halten, nicht zu einem Vorwurf machen, wenn sie in dem Ereignis gemeinsamen Bekennens in Barmen eine Bestätigung für diese Überzeugung gesehen haben und sehen.

Die in konfessionsübergreifendem Bekennen neu geschenkte Gemeinschaft darf bestehende Kirchengemeinschaft nicht gefährden. Deshalb hat die lutherische Kirche Deutschlands alles Interesse daran, ihr Ja zur Barmer Theologischen Erklärung in die weltweite lutherische Gemeinschaft miteinzubringen, nicht nur das Ereignis von Barmen, sondern gerade auch das Christuszeugnis der Bekenntnissynode.

10. Die Frage, in welchem Sinne die Synode von Barmen als Widerstand' bezeichnet werden kann, und wie dem ihre Theologische Erklärung zuzuordnen ist, muss differenziert gesehen werden.

Die Synode hat ihre Entscheidungen als theologischen Widerstand begriffen, d.h. sie hat wie die Dialektische Theologie oder Teile der Luther-Renaissance und anderer Aufbruchsbewegungen das, was man Neuprotestantismus nannte, als Verfall gewertet und bekämpft, weil sie das Wirken der Deutschen Christen als Konsequenz der Entwicklung von Generationen sah. Diese Sicht war grundsätzlich ebenso legitim wie die Kritik an der Scholastik durch die Reformatoren; konkret hat sie sich aber als revisionsbedürftig erwiesen. Auch die Barmer Theologische Erklärung ist ein Stück neuzeitlicher Theologie.

Die Synode hat kirchlichen Widerstand geleistet gegen das durch die Deutschen Christen in der Deutschen Evangelischen Kirche aufgerichtete Gewaltregime. Das geschieht in der 3. und 4. These der Theologischen Erklärung und durch die „Erklärung zur Rechtslage der Bekenntnissynode", in der sie den Anspruch erhob, gegen die Reichskirchenregierung die wahre Deutsche Evangelische Kirche zu repräsentieren. Dieser kirchliche Widerstand erwuchs aus einem neuen Kirchenverständnis, das die Kirche aus der Bindung an Christus allein verstand und deshalb eine stärkere Distanzierung von der Gesellschaft und neue Weltverantwortung miteinander verbinden konnte.

Die Synode hat gewusst, dass sie mit ihrem Zusammentreten und ihren Beschlüssen faktisch politischen Widerstand leistete. Sie hat ihre Loyalität zum Staat betont und theologisch begründet (so These 5). Aber ihre Mitglieder mussten wissen und haben es in der Regel auch gewusst, dass der Versuch, die Kirche von den - durch den neuen Staat gedeckten - fremden Prinzipien der Deutschen Christen zu befreien, der auf totale Herrschaft drängenden Ideologie des Regimes zuwiderlief und damit selbst ein Politikum war. Es gab Synodale, die als Konsequenz ihres Verhaltens bereits ihr Amt verloren hatten. Politischen Widerstand hat die Synode allein durch ihr Bekenntnis und als Bekenntnis geleistet.

Wenn wir unter ‚Widerstand' die Bereitschaft zur Bekämpfung eines Unrechtsregimes - wenn nötig mit Gewalt - verstehen, dann lag solcher Widerstand in Barmen außerhalb der Vorstellungen. Wir haben gelernt, dass Kirche mit allen ihr gebotenen Mitteln auch dann zu widersprechen hat, wenn das Recht gebrochen wird, wenn die Rechte anderer, besonders die Rechte von Minderheiten, verletzt werden. Sie hat auf der Seite der Unterdrückten zu stehen und vor der Zerstörung der Schöpfung zu warnen. Aber in welcher anderen Weise könnte die Kirche dies heute tun als in der Form des Bekennens?

Inwieweit Barmen Modell für gebotenen Widerstand gegen Irrwege in Gesellschaft und Staat sein kann, ist heute besonders umstritten. Wir sind überzeugt, dass die Mitverantwortung der Kirche weiter reicht, als sie in Barmen in Erscheinung getreten ist. Aber wir leben heute in der Bundesrepublik Deutschland ebenso wie in der Deutschen Demokratischen Republik in völlig anderen Staaten und Gesellschaftsordnungen. Wie auch immer wir heute Erbe und Auftrag von Barmen im Bereich politischer Verantwortung meinen wahrnehmen zu sollen, der Synode von 1934 ging es um das Christusbekenntnis und den daraus folgenden Auftrag der Kirche. Die in These 5 und 6 klar formulierte Unterscheidung der kirchlichen Sendung von staatlicher Autorität bleibt für die Lutherische Kirche maßgebend. Denn die Welt ruht in Gottes Händen. Wir vertrauen und gehorchen „der Kraft des Wortes, durch das Gott alle Dinge trägt".